Auf ihrer 15-jährigen Jubiläumstour besuchten Microphone Mafia und Joram Bejarano am gestrigen Vormittag die Esther-Bejarano-Gesamtschule in Freudenberg, um gemeinsam mit der Oberstufe in einer Lesung und einem Konzert an ihre „Mutti“ zu erinnern. Auf Deutsch, Türkisch, Italienisch, Jiddisch und Hebräisch brachten sie ihre Botschaft Nie wieder Krieg den jungen Erwachsenen näher, nachdem sie am Abend zuvor schon im Vortex in Weidenau auftraten.
Während der ca. 45-minütigen Lesung beschrieb Esther Bejaranos Sohn Joram ihren musikalischen Lebensweg – vor, während und nach der NS-Diktatur. Dabei ging er zunächst auf die Kindheit seiner Mutter, ihren musisch orientierten Unterricht für jüdische Kinder, ihr Klavierspiel und ihre Liebe zum Theater und zu klassischen Gesangsstücken ein. Als sie im Alter von 18 Jahren in Güterwaggons im KZ Auschwitz-Birkenau ankommt, rettet die Mitgliedschaft in einem Orchester ihr Leben. Sie lernt, Akkordeon zu spielen, obwohl sie nur die Tasten kennt. Die Bedienung der Knöpfe bringt sie sich selbst bei. Esther Bejarano spielt an der Rampe, wenn neue Häftlinge ankommen, wenn diese abtransportiert werden und zum morgendlichen Appell – „Sie leidet stumm.“
Auch nach der NS-Zeit verfolgt Esther Bejarano, damals noch Loewy, ihren Gesangswunsch – aber in Israel, wo sie später auch heiratet und gemeinsam mit Nissim Bejarano zwei Kinder bekommt. Sie arbeitet anschließend als Musiklehrerin und unterrichtet die Blockflöte.
Als sie im Jahr 1960 in die Bundesrepublik zurückkehrt, erlebt sie in den Folgejahren immer wieder rassistisch geprägte Vorfälle, die sie in ihrer antirassistischen Haltung bestärken. Währenddessen tritt sie mit ihrer Tochter oder auch solo auf und setzt kontinuierlich musikalische Zeichen gegen rechts. Im Jahr 1982 steht sie mit der Initiative Künstler für den Frieden und Sängern wie Miriam Makeba oder Udo Lindenberg auf der Bühne.
Im Jahr 2007 nimmt schließlich der Rapper Kutlu Yurtseven von Microphone Mafia Kontakt zu ihr auf, um zunächst Projekte gegen rechts zu unterstützen. Obwohl Esther Bejarano zunächst keinen Kontakt zur „Mafia“ möchte, werden aus ihrer Begegnung letztendlich über 900 Konzerte und drei Alben, auf denen Bejarano bis zu ihrem Tod im Juli 2021 singt und vorliest.
Im Anschluss an die Lesung, die Joram Bejarano gemeinsam mit seiner Frau verfasst hatte, begann der musikalische Teil der Veranstaltung.
Rapper Kutlu Yurtseven am Mischpult und Joram Bejarano am Bass spielten verschiedene Stücke der Microphone Mafia, häufig unterstützt durch Einspielungen von Esther Bejaranos Stimme. Dabei berichtete Yurtseven über gemeinsame Reisen der Band nach Kuba, die verschiedenen Glaubensrichtungen innerhalb der Band, die nie eine Rolle zwischen ihnen spielten und seine eigenen Erfahrungen mit Rassismus. Er appellierte daran, den Menschen kennenzulernen und nicht dessen Nation oder Religion. Er erinnerte auch daran, wohin übertriebener Nationalstolz führen kann, und regte die Jugendlichen dazu an, mit eventuell vorhandener Wut – „alle Jugendlichen haben Etwas, auf das sie wütend sein können“ – kreativ umzugehen.
Durch Musik, Geschichte, Familie und Freunde konnte unserer Schulgemeinde der Mensch Esther Bejarano wieder etwas nähergebracht und ihr Andenken gewahrt werden. Für die Oberstufenschülerinnen und -schüler der Esther-Bejarano-Gesamtschule war diese kurzweilige Veranstaltung eine weitere Möglichkeit, die immer noch neue Namensgeberin ihrer Schule besser kennenzulernen.